Bericht in den Freiburger Nachrichten

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erschienen Anfang März

Vor wenigen Wochen sind die beiden Senslerinnen Yvette El Fen und Blanca Jungo aus dem afrikanischen Staat Togo nach Hause gekommen. Müde, weil die Reise coronabedingt länger und komplizierter war, aber glücklich, weil sie mit ihrem Hilfsprojekt in der Gegend von Sotoubua ein grosses Stück weitergekommen sind.

Die Einrichtung für Strassenkinder, Waisen und Witwen, die Yvette El Fen vor rund 15 Jahren Schritt für Schritt aufgebaut hat, verfügt nun über eigenen Strom, denn ein Teil der Gebäude ist nun mit Solarpanels bestückt.

Sonne hat es im westafrikanischen Land genug. Als die beiden Frauen dort weilten, herrschte bis zu 40 Grad und der ständige Wüstensand in der Luft trocknete europäische Kehlen rasch aus. Überhaupt sind die klimatischen Bedingungen für senslerische Verhältnisse sehr gewöhnungsbedürftig.

Gerade jetzt steht das Land zwischen den zwei jährlichen Regenperioden. Die erste, weniger starke geht von März bis Mai, die zweite beginnt Mitte Juli und dauert drei Monate. «Der Regen ist dann wie ein Vorhang, 24 Stunden und Tage lang», erzählt Blanca Jungo. Die Temperaturen sind dann zwar etwas tiefer, doch ist dafür die Luftfeuchtigkeit höher.

Mitten in einem unwirtlichen Landstrich ohne grössere Siedlung in der Nähe hat Yvette El Fen nach Jahre langer Vorarbeit eine Art Pestalozzi-Dorf aufgebaut. Sie hat sich bewusst diese Gegend ausgesucht, weil sie bei einer Reise miterlebt hat, wie gross die Not bei den Kindern ist. «Ich sah hungernde und verlassende Kinder, die am Wegrand umfielen und starben», erinnert sie sich. Die Familien konnten dem kargen Boden kaum genug abringen, um sich zu ernähren. Zudem gab es wegen Malaria viele Todesfälle, die Familien ins Elend stürzten.

Mit zusammengebetteltem Geld erwarb sie auf einem Hochplateau zwei Hektaren Buschland und stellte nach und nach gewisse Infrastrukturen. «Man muss wohl ein wenig verrückt sein, um so etwas auf die Beine zu stellen», sagt sie mit einem Lachen. Hartnäckig hat sie ihr Ziel verfolgt, für diese Kinder bessere Zukunftsaussichten zu schaffen. Aus ihrer Eigeninitiative ist mit der Zeit der Verein Ave entstanden. Ave steht für Avenir und Espoir, Zukunft und Hoffnung.

Anfangs gab es einen Kindergarten und zwei Familiengebäude, in denen Kinder lebten, die von Frauen aus den umliegenden Siedlungen betreut werden. Ein Brunnen kam dazu und mit ihm fliessendes Wasser in den Gebäuden. Ein Verbrennungsofen war das nächste Projekt, denn in der Einrichtung leben viele Kleinkinder, so dass viele Windeln anfielen. «Bébés will niemand», sagt Blanca Jungo. «Sie sind teuer.» In einem guten Job bekomme ein Mann rund 70 Franken im Monat. «Das Milchpulver und viele andere Lebensmittel sind aber gleich teuer wie bei uns.» Die Teuerung sei in den letzten Jahren unheimlich stark angestiegen.

Es folgten ein Nähatelier als Beschäftigungsmöglichkeit für die Witwen, ein Hühnerhof, Bienen und ein Spielplatz mit einem schattenspendendem Pavillon. In den letzten vier Jahren entstand aus einem Lager ein Schlafraum für die älteren Buben und eine Getreidemühle. Der Spielplatz ist nun mit Spielgeräten bestückt und das Tiergehege umfasst nun auch Schafe, Ziegen und Schweine. Auch ein kleines Therapiebad ist dazu gekommen, in dem die teils sehr traumatisierten und oft auch behinderten Kinder behandelt werden.

«Wir sind im Paradies», habe der einheimische Leiter des Kinderdorfs Jean gesagt, als die Solaranlage am 29. Dezember  2021 erstmals Strom produzierte und wie von Zauberhand das Licht anging. Vorher war die kleine Einrichtung zwar ans Landes-Elektrizitätsnetz angeschlossen, doch war nicht immer Strom da. «Wir wussten nie, wann und wie lange am Tag wir Strom haben. Oft nur ein paar Stunden und manchmal auch gar keinen», erzählt Yvette El Fen.

Da das Kinderdorf mittlerweile eine gewisse Grösse erreicht hat, ist der Betrieb schwierig, wenn beispielsweise die Waschmaschine nicht regelmässig läuft oder auch der Trockner, denn wegen der hohen Luftfeuchtigkeit trocknet die Wäsche  nicht an der Leine. Für die Kühlanlagen für Lebensmittel und Medikamente braucht es ebenfalls Strom, ebenso für die Küche. Dank den 30 Kilowattstunden funktioniert auch die ansonsten handbetriebene Wasserpumpe auf Knopfdruck. «Mit der neuen Solaranlage haben wir nun fast Luxusverhältnisse», sagt Blanca Jungo.

Weil die Anlage mehr Strom produziert, als das Kinderdorf benötigt, bleibt die Mühle länger in Betrieb und die arme Dorfbevölkerung aus der Umgebung darf ihr Getreide gratis mahlen lassen.

Eigentlich hätte das Solarprojekt bereits 2019 umgesetzt werden können. Dank Spenden aus der Schweiz und einem Beitrag der Stiftung Fribourg-Solidaire, die vom Kanton und vom Bund unterstützt wird, kamen die rund 150 000 Franken zusammen. Wegen der Coronapandemie gab es Lieferprobleme für  Schiffscontainer, mit denen das Material von der Schweiz in den Togo hätte transportiert werden müssen. Auch Baumaterial wurde knapp und entsprechend teurer. Zement zum Beispiel kostete plötzlich doppelt soviel wie vorher. «Schliesslich haben wir Glück gehabt», sagt Blanca Jungo. «Durch die Verspätungen konnten wir beim Einkauf der Anlage bessere Bedingungen erzielen.» Es reichte deshalb auch, um Reservestromspeicher anzuschaffen – dies im Hinblick auf einen späteren Ausbau der Kapazität.

Weil die Installation auch nur in der Trockenzeit erfolgen konnte, brauchte es eine gute Planung, dass schliesslich alles klappte. Das Material ging letzten Sommer auf die Reise. Yvette El Fen und Blanca Jungo sowie drei Ingenieure aus der Schweiz sind im Dezember nach Sotouboua gereist. Mit dabei war der Professor der Fachhochschule Sion, der für den Verein die Berechnungen für das Projekt gemacht hat. Ein ehemaliger Schüler von ihm hat die Detailplanung übernommen und ein dritter technischer Ingenieur, Sohn von Yvette El Fen, war als Problemlöser vor Ort. Alle drei haben dies ohne Lohn und in ihrer Freizeit gemacht. Enlöhnt wurden aber die Arbeiter aus den umliegenden Siedlungen, die mithalfen, die Aufbauten auf den Dächern zu erstellen, auf denen die Solarpanels installiert wurden, sowie den Technikraum. Das Geld reichte auch noch für etwas mehr Hightech, das sich aber unter Umständen bezahlt macht: Jetzt kann das gute Funktionieren der Anlage von der Schweiz aus überwacht werden.

Die beiden Senslerinnen sind sehr zufrieden mit der Entwicklung des Kinderdorfs. «Wir haben gute Leute vor Ort», sagt Yvette El Fen, die ein bis zweimal pro Jahr vor Ort ist. «Wir sind noch lange nicht fertig, aber ein gutes Stück vorwärts gekommen», ergänzt Blanca Jungo. Wichtig sei es, dass man nachhaltige Projekte realisiere. So werden Hilfsangebote stets an die Verhältnisse und die Mentalität vor Ort angepasst. Einzig bei der Umsetzung ihrer Visionen hat Yvette El Fen zuweilen auf schweizerische Qualitätsarbeit gesetzt. Mit klaren Strukturen, einer guten Kommunikation und einer lokalen Verankerung habe man die besten Erfolgsaussichten – auch in einem Land, in dem der Fortschritt der westlichen Welt kaum zu spüren sei.

Wenn man den beiden Frauen zuhört, ist klar, dass sie nicht auf dem Erreichten ausruhen. Das Material für den Bau von mehr Duschen und Toiletten ist bereits vor Ort. Jetzt muss das Geld für den Innenausbau, etwa das Kacheln von Böden und Wänden, aufgetrieben werden. Auch der Kühlraum besteht im Rohbau und die ehemalige Kindergärtnerin Blanca Jungo wünscht sich einen Umzäunung des Spielplatzes. «Wir sind mitten im einsamen Busch und wollen das Risiko nicht eingehen, dass eines der Kinder plötzlich verloren geht.»

Verein Ave trägt die Verantwortung für 75 Kinder

Das Hilfswerk Ave betreut heute 75 Kinder, zumeist Waisen. Einige sind kaum ein paar Monate alt, andere sind in Ausbildung auf einer Schule, in einer Lehre oder auf der Universität. «Es kommt auch viel zurück», sagt Yvette El Fen. Die ersten betreuten Kinder haben heute selber Familien und bieten anderen Ave-Kindern in Ausbildung einen Wohnplatz an. Eines der Mädchen ist heute Krankenschwester und unterstützt die neun festangestellten «Mamas», wie die Betreuerinnen im Kinderdorf genannt werden, bei ihrer Arbeit. Aus den umliegenden Siedlungen werden mehrere Kinder für den Kindergarten im AVE-Dorf eingesammelt. «Sie kommen nicht wegen des Kindergartens, sondern um drei Mahlzeiten pro Tag zu bekommen. Das hätten sie zuhause nicht», sagt Yvette El Fen. Das Hilfswerk unterstützt auch andere Angebote für Familien in der Umgebung von Sotouboua mit Sachspenden. Der Verein finanziert sich aus Spenden und durch Patenschaften.